Konsumkinder 2.0
Wer außer mir hat noch das Gefühl, in Spielsachen zu
ersticken? Sie sind überall, man tritt schmerzhaft darauf, stolpert darüber,
versucht dauernd, sie irgendwie in eine sinnvolle Ordnung zu bringen, doch
leider läuft es im Endeffekt meist auf einige undurchdacht gemischte Kisten
hinaus, die man hilflos bis zum Rand füllt und hinter der Couch versteckt. Ich
bin mir nicht sicher, wann das losging, kann mich auch beim besten Willen nicht
daran erinnern, derart viel Kram besessen zu haben. Was ist in den letzten 30
Jahren mit uns passiert? Müssen wir tatsächlich unsere Brut derart
überversorgen? Kinder sind ein unfassbar großer Markt und lägst nicht mehr nur
die Kunden von morgen, oh nein! Sie haben Kaufkraft und dank gut gefüllter
Geldbeutel der spätgebärenden Eltern und dem schlechten Gewissen einer
Vollzeit-arbeitenden Elterngeneration auch schon im Knirpsenalter großen
Einfluss auf das, was gekauft wird und was dringend her muss. Die Kinder
wünschen, fordern, die Eltern kommen dem nach, oftmals mit dem Gefühl, es zu
müssen. Kaum ein Garten in der gepflegten Vorstadt-Siedlung, in dem nicht
mindestens eine Schaukel und ein Klettergerüst stehen. Da schimpfen wir Eltern,
dass unsere Kinder zu wenig mit anderen agieren, zu wenig auf der Gass‘ sind
und ganz old-school in der kurzen Hose und mit frechen Mützen auf dem
Garagenhof kicken, wie wir das selbst als verklärte Wahrheit von DAMALS in uns
tragen, und was tun wir? Wir kaufen einen Fuhrpark an Fahrzeugen, Sandsachen
und Swimmingpool, ein umzäuntes Wunderland im eigenen Garten. Wir bauen
Baumhäuser, Gartenhäuschen und Abenteuerschaukeln. Und wundern uns dann
wahrscheinlich, dass unsere süßen dauerbelebten und animierten Superkinder
irgendwann in ihren bis aufs letzte Fitzelchen perfekt eingerichteten und gestrichenen,
gestylten und verwöhnten Kinderzimmern sitzen und auf ein Tablet gucken, wie
sie es von uns gelernt haben. Allein. Denn auch das haben sie von uns gelernt
mit der angewöhnten Vereinsamung auf dem eigenen Abenteuerspielplatz. Ich habe
neulich mit einem guten Freund beim Spaziergang mit unseren eigenen vier Knallfröschen
über das Phänomen „Einsamer Cowboy“ gesprochen und er deutete nur nach rechts
die Straße hinauf. „Da hinten wohnt Finn, der hat seit neuestem ein
Klettergerüst mit zwei Türmen, Rutsche, Schaukel und Kletternetz. Damit halten
die Eltern ihn vom Spielplatz fern, er ist nicht ganz sozialverträglich.“ Da
lohnen sich natürlich Kosten und Aufwand, ist ja zum Wohle aller. Vielen Dank
an Renate und Helmut, sicher auch vom Rest des Neubaugebietes.
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