Textschnipsel ...



Ein wunderbares Gemeinschaftsprojekt mit zwei weiteren Autorinnen!

Wir freuen uns und hoffen, dass wir Band 1 bald veröffentlichen können :) Es wird spannend

Hier mal ein Textschnipsel aus Band 2 ...





Kapitel 1 Ein kalter Finne


Nun stand ich hier also. Finnischer Winter, zu leichte Jacke, Rollenkoffer in Neuschnee auf tiefgefrorenem Altschnee.

Mikka musste los, scheinbar war es seiner Hanna doch weniger recht, dass er mich aus Deutschland abgeholt hatte. Denn nachdem sie ihm praktisch minütlich getextet hatte, war sie, sobald wir an diesen frühen Abend in der völligen Polarkreis-Dunkelheit gelandet waren, dazu übergegangen, ihn anzurufen. Und sein immer grantiger werdendes „Ich bin noch mit Mila unterwegs“, schien die junge Dame anzustacheln, noch öfter zu texten.

So stand ich hier nun allein. Vor Riaans Tür im Schnee.

Es hatte mich mehrere Minuten der Überwindung gekostet, überhaupt den Mut aufzubringen, im vierten Stock bei R. J. zu klingeln. Leider hatte ich dabei aber feststellen müssen, dass Herr R. J. nicht zuhause war.

Ich rief Mikka an, doch der drückte mich weg. Klassischer Fall von Fehlplanung.

Eine andere Nummer hatte ich nicht, denn soweit war es in unserer kurzen und intensiven Beziehung nicht gekommen. Verrückt und eigentlich völlig bescheuert. Wir hatten mehrere Tage und Nächte miteinander verbracht, so eng beieinander wie nur möglich, blind vor lauter Frühlingsgefühlen. Aber ich hatte seine Nummer nicht.

Schlimmer noch: Ich stand in einer langen Straße in Helsinki, Finnland, einen Koffer neben mir und fror erbärmlich.

Zitternd rieb ich meine Hände aneinander.

Was war, wenn er heute Nacht nicht nach Hause kam? Spontan hatte ich ein flaues Gefühl im Bauch.

Mikka hatte Schwerstarbeit geleistet, um mich hierher zu bringen. Er hatte mir gut zugeredet, den Flug über meinen Arm getätschelt und mich sogar hier abgesetzt.

Liebes Universum, was möchtest du mir damit sagen?

Nervös trat ich von einem Fuß auf den anderen.

Vielleicht konnte ich ja bei einem Nachbarn klingeln? Irgendjemand würde mich mit Sicherheit bei diesem Sauwetter hereinlassen. Meine eisigen Finger huschten über die Namensplättchen. Heikkinnen, M&L. Seine direkten Nachbarn. Einen Versuch war es wert.

„Ja hallo?“, tönte es mir fröhlich über die Gegensprechanlage entgegen und ich bemühte meinen eigefrorenen Kiefer dazu, sich zu bewegen.

„Hei, mein Name ist Milena, ich bin eine Bekannte von Riaan. Leider ist er nicht da und ich stehe mit meinem Koffer …“

„Vergiss es!“ Die Stimme der Frau war mit einem Mal schroff und noch weit frostiger als der Wind um mich.

„Bitte, ich bin eben erst angekommen, sein Cousin hat mich abgeholt, aber der musste …“

Erneut wurde ich unterbrochen, diesmal war es ein Mann: „Finger weg von der Klingel! Du bist nicht die erste, die versucht, hier ins Haus zu kommen, seit Ari bekannt geworden ist!“, schnauzte er mir entgegen und ich wich spontan tatsächlich einen Schritt zurück.

„Aber … aber es ist so kalt und ich …“, brachte ich hervor, nach einer Woche im Nachtdienst und der spontanen Entführung durch Mikka inzwischen körperlich und psychisch soweit, einfach nur in Tränen auszubrechen. „Bitte, ihr habt sicher seine Telefonnummer, ruft ihn an und sagt ihm, dass Milena vor seinem Haus steht und …“

„Ruf ihn doch selber an!“, blökte es mir entgegen und ich spürte die ersten Tränen.

Schlechte Planung und ganz, ganz schlechtes Karma, Frau Beck. Seufzend vergrub ich mich tiefer in meiner Jacke.

„Trotzdem danke“, murmelte ich und legte meinen Koffer auf der Eingangstreppe in den Schnee, um mich darauf setzen zu können.

Gott, was tat ich mir leid!

Die schlimmste und härteste Überwindung des Jahrzehnts und wofür? Einen erfrorenen Arsch im eisigen Norden, weil das Schicksal eventuell noch auf Vergeltungskurs war.

Ich schob meine fischstäbchen-kalten Finger unter die Achseln und schloss die Augen.

Wesentlich schlimmer konnte es ja eigentlich nicht mehr werden.

Kommentare

Beliebte Posts