Umgang mit dem Rumpelstilzchen

Jede Mutter und jeder Vater kennt das: man macht im Umgang mit Kindern jeden Tag ziemlich viele Fehler. Manchmal lernt man daraus, man entschuldigt sich sogar bei den Kindern, wenn es mal wieder zwischen Frühstückstisch, Gummistiefeln und "wir müssen jetzt los" eskaliert ist.

Die meisten Fehler sind bekannt.
Hör den Minis bis zum Ende zu, auch wenn es dich nicht interessiert oder du die Geschichte zum fünften Mal hörst, sei konsequent, Sarkasmus erst ab 7, keine Nacktbilder (außer von dir selbst) auf Facebook, blamier sie nicht vor ihren Freunden (Oh je, schau, jetzt hast du Pipi gemacht, alles nass. Du musst bescheid sagen, jetzt sehen alle deine nasse Hose und wir müssen direkt heim, oh je, guck, alle schauen deine Pipihose an, wie ein Baby hast du Pipi gemacht), lüg die Minis nicht an und versprich nichts, was du nicht halten kannst... Gott, diese Liste lässt sich wohl endlos fortsetzen und führt uns Eltern mit Sicherheit vor Augen, dass weder wir, noch unsere Kinder, noch unsere Famlien perfekt sind.
Müssen sie ja auch gar nicht sein.
Es geht darum, ein für alle Seiten in 90% des Tages ertägliches Klima zu schaffen. Räume, um zur Ruhe zu kommen, aufzutanken, uns wohlzufühlen. Damit eben nicht jede Kleinigkeit mit einem Rumpelstilzchen endet, das sich schreiend am Boden wälzt und eine andere Familie haben möchte.

Der leichteste Einstieg in mehr Ruhe und weniger Rumpelstilzchen ist genau eine Sache: Das ? muss weg.
Ganz genau, das ?

Lauschen Sie bitte einmal tief in sich hinein. Lassen Sie die letzten Auseinandersetzungen um nicht angezogene Schuhe, die falsche Becherfarbe und den missglückten Gang zum Einkaufen Revue passieren.
Und, fällt Ihnen das ? in irgendeiner Form auf?

Aus meiner Erfahrung läuft es oft so ab.
Kinder sitzen mit den Legos im Wohnzimmer, wir müssen aber Einkaufen gehen, damit wir rechtzeitig wieder daheim sind und ich Abendessen kochen kann. Die Kinder sind ins Spiel versunken, ich renne gestresst herum, suche die Einkaufstasche, mache einen Einkaufszettel, rege mich auf, weil die Große den Sand aus ihren Schuhen schon wieder in den Flur gekippt hat.
Auf meine Kinder wirkt das in etwa so: Mama rennt kopflos in der Gegend herum, zieht sich Schuhe an. Mist, geht die ohne uns? Sie fangen an, um mich herumzurennen, meckern, hängen mir am Pullover. "Auch mit, auch mit, auch mit", dringt panisch Mini an mein Ohr, begleitet mit leidendem "Ich will aber hiiiiiier blieben!" von der Großen.
Das Stresslevel steigt, es ist wahrscheinlich schon halb fünf und der Tag könnte meiner Meinung nach getrost auch jetzt schon enden.

Aber: Ich rede mir innerlich gut zu: Lass dich nicht stressen, die paar Minuten, wir kriegen das schon alles hin, nicht die Petersilie vergessen, wo ist mein verdammter Autoschlüssel, das wird schon, ganz ruhig, verdammt, ich sollte noch tanken.
Dann begehe ich den größten, schwersten und zeitraubendsten Fehler der Elterngeschichte.

1. Setzt ihr euch bitte auf die Treppe?
?


2. Mädels, ihr müsst euch Schuhe anziehen, wir sind spät dran, ich muss noch kochen und gleich auch nochmal an den Computer, da kam grad eine Mail von der Arbeit, aber wir sind ja gleich wieder da, nur kurz einkaufen und tanken und dann sind wir wieder hier. Könnt ihr euch jetzt bitte die Schuhe anziehen?
?


3. Ich habe gesagt, Schuhe anziehen! Ich hole schnell meinen Geldbeutel, bis dahin habt ihr die Schuhe an, ja?
?


Und so kann es endlos weitergehen und irgendwann eskaliert das ganze völlig, ich schreie, die Große haut die Kleine, jemand stößt sich den Kopf und es fliegen Schuhe.

Der Fehler - die meisten werden es gesehen haben - ich habe Fragen gestellt. ??????

Analysieren wir kurz:

Satz 1: Setzt ihr euch bitte auf die Treppe?

? Ich habe gefragt, eine Frage darf man durchaus mit nein beantworten. Nein, wir setzen uns nicht auf die Treppe, wir bauen grad eine Lego-Burg, warum sollten wir uns jetzt auf die Treppe setzen?

Satz 2: Viel zu lang, viel zu viel Info. Noch ein Fehler. Ich glaube ab einer Füllwörtermenge von fünf bzw über drei Kommata pro Satz hören die Minis nurnoch fününününün. Das Krönchen auf dem Infoberg? Könnt ihr euch jetzt bitte die Schuhe anziehen? ????????
Sie könnten, natürlich. Aber da ist die Lego-Burg und draußen nieselt es und außerdem sind die rosa-Schuhe voll Arsch

Satz 3: Mutti wird patzig, die Kinder spiegeln es natürlich sofort. Bis dahin habt ihr die Schuhe an. Bumm. Das wäre ein Satz. Aber ich füge leider ein ja? hintenan. Böser Fehler.
Antwort der Minis: Nein!

Das gesamte Ausrasten, schreien und eben doch nicht einkaufen fahren, kann man vermeiden, indem man drei einfache Regeln beachtet:

1. Die Minis spielen gerade schön. Das sehe ich und ich muss sie darauf vorbereiten, dass es gleich losgeht. Also nehme ich die Kinder-Wanduhr, klebe ein Zettelchen an eine Zahl und sage: Wenn der große Zeiger hier ist, gehen wir einkaufen.

2. Ich richte alles vorher, fahre mein eigenes Stresslevel runter. Dann stelle ich die Schuhe hin und sage: Der große Zeiger ist angekommen, kommt her, Schuhe anziehen.

3. Ich bemühe mich den Ausraster abzufangen, der natürlich trotzdem kommt, schließlich ist die Burg noch nicht fertig. Ich sage: du kannst nachher weiterspielen, ich ziehe dir jetzt die Schuhe an und wir gehen los.

Ich möchte, dass du jetzt deine Schuhe anziehst.
Oder noch besser und ganz schlicht: Zieh  jetzt deine Schuhe an.
Kurz, knapp und ohne das lästige ?
 Kein fragen, kein bitten.
Keine langen Sätze, keine Diskussion.

Auch ich übe noch und formuliere manchmal noch im Reden meine Sätze um. Aber es hilft ungemein.
Ausprobieren lohnt sich.

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