Zauberworte

Manchmal ist es in der Tat faszinierend, was bei Kindern mit wenigen einfachen Worten erreicht werden kann.
Oder auch nicht, je nachdem, wie der Wind weht, der Mond steht oder die Asen auf Bifrost stehen und einnässen vor Lachen über unsere menschliche Unfähigkeit.

Ich habe vor einigen Tagen gleich mehrere Dinge gelernt.
Aber von Anfang an.

Wie jede Familie haben wir unsere Stärken und Schwächen. Eine Stärke ist definitv die Große. Sie ist klug, verständnisvoll und im großen und ganzen auch recht gut erzogen. Mini dagegen ist eher niedlich, dickköpfig und wir kommen mit der Erziehung schwer hinterher, weil wir gar nicht mehr so viel Aufmerksamkeit und Mühe darauf verwenden.
Nachdem Mini dann aber meinte, sie müsse Brüllen und Kotzen als Druckmittel gegen fast alles einsetzen, wurde mir das zum ersten Mal wirklich bewusst.
Wir haben Rat bei einer Psychologin gesucht (kann ich nur empfehlen, ein Außenstehender und vor allem das "wir sprechen das Problem einmal laut aus" hilft ungemein). Die Psychologin hat uns sehr sanft, aber direkt klar gemacht, dass Mini nicht mehr unser Baby, sondern ein Kleinkind ist. Und so müssen wir sie auch behandeln. Leichter gesagt als getan, denn man stelle sich das brüllende und kotzende Rumpelstilzchen auf dem Boden vor und man selbst steht daneben und sagt immer wieder: Ich weiß, was du empfindest, du darfst wütend sein. Aber Mama will jetzt nicht.

Bäm! Hammer, dieser Satz. Mama will jetzt nicht.

Mama will jetzt nicht kommen, Mama will jetzt nicht stillen, Mama will jetzt verdammt nochmal in Ruhe aufs Klo.
Seltsamerweise hat Mini den Satz und auch die Strenge weit weniger schwer aufgenommen, als ich dachte. Sie hat das Wort "Später" gelernt. Und sie hat begriffen, dass es bei Papa gar nicht so übel ist.

Das war die Vorgeschichte, seitdem arbeiten wir an ihr und an uns, damit wir alle ein wenig harmonischer und zufriedener miteinander umgehen können.

Der nächste Satz neben "Mama will jetzt nicht" ist "Alles ist gut, ich bin hier."
Meine Kinder schlafen ja mit Vorliebe noch immer beide bei mir und auf mir. Ich kann das aber nicht mehr, denn ich fürchte, ich werde demnächst das letzte bisschen Verstand, Geduld und Seelenfrieden einbüßen, die mir die letzten fünf Jahre übriggelassen haben.
Also auch beim abendlichen Eiertanz: Nein, Mama will jetzt nicht.
Natürlich war zuerst das Gebrüll groß, sowohl bei Mini, als auch bei der Großen (und vor allem bei der Großen), aber es geht nicht mehr anders. Es ist wie beim Drogenentzug: Man macht ihn erst, wenn man völlig am Boden ist. Und das war ich, denn ich möchte wieder alleine schlafen, beziehungsweise meinen Mann neben mir haben. Ich will kein Dauernuckel sein. Und ich will verdammt nochmal einen ruhigen Abend haben, denn den haben wir uns verdient.

Folgende Adaptionen erfolgten: Dekoration des Kinderzimmers mit einem AnnaElsa-Poster und ebensolchen Aufklebern, AnnaElsa-Bettwäsche und ein blaues Spannbettuch. Damit war mein Schlafzimmer zumindest schon einmal weniger interessant geworden.
Nach den üblichen Ritualen und allabendlichen Ausrastern gibt es dann ein kurzes Stillen und trotz Gebrüll Teddy und Schnuller. Die Große bekommt ihr Hörspiel mit Kopfhörern und ein dickes Kuscheln.
Dann decke ich sie zu, sage Gute Nacht und setze mich an den Bettrand.
Ich weiß, was viele jetzt denken werden, Gott, an den Bettrand? Wie lange? Hat die einen an der Klatsche??? Mal sehen, vielleicht kann ich auch bald direkt gehen, aber noch sitze ich eben dort, mache den sanften Entzug und antworte auf jedes panische "Mama?" mit einem ruhigen "Mama ist hier" oder "Alles ist gut"
Nach nur drei Nächten wurden die Rufe weniger, Mini nahm ihr hartes Schicksal an und schlief tatsächlich ein.
Ein enormer Erfolg, zumindest für uns.

Interessanterweise funktioniert der "Alles ist gut"-Satz auch ausgezeichnet bei ausratstenden Vorschulkindern.
Die Große hat es derzeit nicht leicht, sie ist so groß und doch so klein, darf so viel und hat noch Angst davor, jeden Tag passiert etwas, sie hat ihre Freuden und ihre Kämpfe im Kindergarten und - wenn ich ehrlich bin - sie hat es wirklich oft nicht leicht.
Neulich abend gab es dann eine große Krise, ich glaube, es ging zunächst um Socken, die verkehrt herum waren. Dann ging es um Mini und das schreckliche Leben mit kleinen Geschwistern im Allgemeinen und schließlich um Younis aus dem Kindergarten, der ihr wehgetan hat.
Ich war müde, es war spät, doch ich versuchte, mich zusammenzureißen. Kraft zu streiten oder zu diskutieren hatte ich definitiv nicht mehr. Dann habe ich einfach die Arme ausgebreitet und gesagt "Alles ist gut. Komm her, ich bin da."
Für knapp zwei Minuten hatte ich dann ein Häufchen Elend in AnnaElsa-Unterwäsche im Arm. Dann war die Not mit einem Mal gelindert und wir haben uns ausgemalt, wie sie am nächsten Morgen Younis ganz laut anschreien darf, bis ihm die Ohren wehtun.

Seltsam, wie die Dinge manchmal funktionieren und wie ein einfaches "Alles ist gut" den Kindern in wenigen Sekunden eine unglaubliche Last abnehmen kann.
Ausprobieren, ich kann es nur empfehlen. Alles ist gut.

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