Still, stiller, Stillen....

Ja, tue ich, finde ich gut.
Der Durchschnittsdeutsche tut es wohl ungern.
Sowohl DIE, als auch DER Durchschnittsdeutsche findet Stillen unpassend, unangebracht und auch brechreizerregend.
Ist mir ein Rätsel, denn seien wir mal offen: Wir stehen doch alle auf Möpse. Aber wenn ein Baby kurzzeitig am Nippel hängt, dann kriegen wir das Kotzen, es versaut uns die Kaffeepause und treibt uns die Galle in den Hals, so dass der Salat im Restaurant ums Verrecken nicht mehr runtergeht.

Warum ist das so?
Woher kommt diese Verwirrung, dieser Ekel?

In den ersten drei Monaten kriegt Mama noch auf die Schulter geklopft. Tapfer, ist ja richtig, Immunsystem und so. Tschaka, Mutti!!
Nach einem halben Jahr kommen die ersten Anfragen, auch wohlgemeint aus dem Freundes- und Mütterkreis. Wie jetzt, noch immer? Stimmt. *nervöses Schulterzucken* WHO sagt ja auch, dass es gut ist. Aber HippAleteHamham machst du auch schon, ne, muss man ja einführen ab dem vierten Monat wegen Beikostgewöhnung.
Ich bin stark geblieben, habe nein gesagt. Bei uns gibt's Milch, die Große fand Brei richtig Scheiße, warum soll ich sie zwingen.
Das Schulterzucken wurde nervöser. Mit jedem Tag, jeder Woche, jedem Mutti-Treff bei dem die anderen Fläschchen und Babygläschen auspackten und ich die Brust.

Kurze Zwischenfrage: Fläschchen mit 2 Jahren ist in Ordnung. Fertignahrung und Folgemilch ist top. Aber Muttermilch nicht? Ist vielleicht Muttermilch im Fläschchen die Lösung?
Ganz ehrlich, auf den Eiertanz mit der Milchpumpe und irgendwelchen Döschen im Kühlschrank und Gefrierer verzichte ich gerne, ich bin äßerst praktisch veranlagt. Die Möpse sind ja schon da, die Milch ist fertig und trinkwarm. Außerdem tut die Punpe weh.


Denken wir mal nach: Wo genau ist der Punkt, an dem mein gestilltes Kleinkind tatsächlich Abneigung in meinen Mitmenschen erzeugt?
Einen Punkt hatte ich bei der Großen mit 8 Monaten erreicht. Da fragte mich eine bewusst nicht stillende Bekannte mit gleichaltrigem Baby ganz im Vertrauen: "Willst du nicht langsam mal deinen Körper zurück?"
Ich war verwirrt. Meinen Körper zurück? Ich habe ihn nie hergegeben. In der Schwangerschaft war mir mein Körper nicht fremd, ich habe ihn nicht für das Kind hergegeben, das Kind ist in mir gewachsen. Und wenn ich stille, dann ist das, was für einen kurzen Moment ausgeliehen wird, mein Nippel. Gehört alles mir. Immer.
Ist es das? Haben manche Leute vielleicht wirklich das Gefühl, sich für ihre Kinder geopfert zu haben? Über ihren Körper nicht mehr so verfügen zu können, wie sie es sich wünschen?

Ich weiß es nicht. Aber ich habe deutlich gemerkt, das ich als Stillmutter ab dem 10 Monat zum Außenseiter wurde und eine Null-Toleranz-Schwelle erreicht habe.
Die Große hat mit einem Jahr von selbst aufgehört - Danke natürlich trotzdem für all die wohlgemeinten Ratschläge, wie ich es schaffe, mein Kind endlich abzustillen! Ich bleibe aber leider dabei: Ich lese keine Bücher und lasse mich nicht unter Druck setzen von einer Wissenschaft, von der ich als Wissenschaftler und Journalist sehr genau weiß, wie sie gemacht wurde.

Schön und gut. Mutti ist stark. Tschaka!
Mit Mini kam dieses Konzept nun ein wenig ins Wanken.
Ich bin voller Vertrauen in die Stillzeit gegangen, dass wir es ganz entspannt machen, solange das Kind es möchte.
Es möchte. Noch immer. Und wenn ich höre, wie manche Frauen über Frauen wie mich reden, dann wird mir schlecht und ich überlege, ob ich nicht doch meine Stillzeit nach 18 Monaten mit einem Salbeitee beenden sollte.
Es wird beleidigend. Laut. Angeekelt. Es gibt regelrechte Hater, wie man heute so hip sagt. Es wird on- und offline geshamed und gehated.
Man liest Kommentare, in denen schon von Kindesmissbrauch gesprochen wird und da reißt mir der Geduldsfaden.
Warum soll eine Mutter aufhören, ihr Kind zu stillen, nur weil es über ein Jahr alt ist? Es ist gemütlich. Gerade wenn die Minis krank sind, Fieber haben, erbrechen, dann ist es ein Segen. Es stärkt das Immunsystem, stärkt die Bindung und mal ganz ehrlich: Es ist in zwei Minuten erledigt!

Ich schäme mich gerade, weil es mir inzwischen peinlich ist und weil ich mich tatsächlich von einer Meinung, einer Gesellschaft unter Druck setzen lasse, bei der ich mir schon vor 20 Jahren als junger Punker geschworen habe, immer dagegen zu sein.
In diesem Sinne, fickt euch, ihr Hater und Shamer, ich zieh jetzt mein Sex Pistols-T-Shirt an und stille mein Kind in der Öffentlichkeit

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