Von Kaffee und Kohlgemüse
Dieser Text ist einhändig geschrieben. Die zweite Hand, sowie
eigentlich meine gesamte Aufmerksamkeit, Sinneswahrnehmung und hormonell
dauerverwirrte Aufopferung gehören dem meckernden Moppelchen in meiner
klauenartig verkrampften anderen Armbeuge. Nummer zwei ist da, seit nunmehr
fast zwei Monaten, aber keine Sorge, ich werde nicht von Dammrissen,
Wochenfluss und eingeleiteten Wehen erzählen, dieser Text sollte vielmehr eine
erste Zwischenbilanz sein, wie es sich so lebt mit einer narzisstisch
angehauchten Tanzmaus und einem dauernuckelnden Speckhasen. Kurz gesagt: Es
läuft, irgendwie. Und durch die fundamental neue Erkenntnis „ist mir egal“,
auch wesentlich besser als mit dem ersten Kind, bei dem mich die Verwandtschaft
noch in Panik und Hysterie versetzen konnte, weil ich nie wusste, wie viel mein
Kind trinkt und immer gegen alle wohlgemeinten Ratschläge darauf bestanden
habe, das kleine Balg zu trösten, wenn es weinte. Vielleicht der feine Unterschied
zwischen Erst- und Zweitgebärenden, man lässt sich nicht mehr so schnell
verrückt machen. Ein Pups ist ein Pups, manchmal brüllen die Mäuse eben
einfach, und Brokkoli führt auch bei Stillkindern selten zu Koliken oder dem
unmittelbaren Tod. Bewusst wurde mir das neulich in einem Café. Ja, ich trinke
Kaffee, und das sogar sehr gerne. Am Nebentisch tagte ein kleiner Damenrat mit
Neugeborenen und bestellte gerade eine Runde koffeinfreien Latte Macchiato mit
Sojamilch (scheinbar führt nicht nur normaler Espresso zu
Verhaltensauffälligkeiten beim Stillkind, sondern auch Milcheiweiß zu
Neurodermitis), und während ich meinen doppelten Espresso Macchiato und mein
friedlich schlafendes, zarthäutiges Moppelchen betrachtete, ereiferte sich
bereits eine der Muttis: „Uuuunfassbar ist das! Also die Uniklinik, was denken
die sich?“
Ich hatte spontan Kunstfehler, Wundinfektionen und betrunkene Ärzte im
Kopf, doch zum Glück atmete die blonde Gazelle mit dem schicken rosafarbenen
Bugaboo lautstark aus und zischte ein angewidertes: „Gemüsesuppe!“ in die
Runde. „Gemüüüsesuppe für stillende Mütter!“ Das Entsetzen am Tisch wurde
greifbar, was ein Faux Pas! Gemüsesuppe. Wahrscheinlich mit Lauch oder gar
Kohlgemüse, Himmel hilf!
Als ich wenig später Moppelchen verpackt und mir die Einkaufstasche
mit frischen Bohnen, Rosenkohl und Schokolade umgehängt hatte, fiel es mir
schwer, nicht in die Runde zu lächeln und völlig wertfrei und freundlich: „Na,
erstes Kind?“ zu sagen. Es wird alles einfacher. Man muss es nur zulassen.
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