Voll versagt



Wir sind durch die U5 gefallen. Ich sage bewusst „wir“, denn das Versagen der Mutter bei diesen Untersuchungen wiegt noch wesentlich schwerer als das des Kindes. Aber von vorne: Die U-Untersuchungen begleiten jede Familie vom ersten Lebenstag des Kindes an. Wichtige Fragen – atmet, hat die richtige Kopfgröße/angeborene Reflexe/Geburt gut überstanden – werden beantwortet. Später kommen dann noch Untersuchungen zum Seh- und Hörvermögen und zu Beweglichkeit und Reaktion dazu. Und ehrlich gesagt: Ich hatte schon ein mulmiges Gefühl als die U5 anstand. Nicht falsch verstehen, Moppelchen entwickelt sich zu meiner vollsten Zufriedenheit! Ich hatte nur den Fehler gemacht, mich zu informieren, was der Kinderarzt so untersucht und da ist mir im ersten Moment das Gesicht eingeschlafen. Stichwort Körperbeherrschung. Scheinbar sollte sich mein Kind inzwischen aus der Bauchlage mit den Armen hochdrücken und sich vom Bauch auf den Rücken und zurück drehen. Tut es aber nicht. Eine Mutter im Wartezimmer gab mir dann den Rest mit ihrer winzigen Puppen-Tochter von 11 Monaten, die krabbelte, lachte und vier Zähne hatte: „Ich dachte, mit einem Jahr hätten alle Kinder Zähne, warum krabbelt sie nicht ein bisschen mit Sophie?“ Hm. Weil Moppelchen groß geraten, aber gerade ein halbes Jahr alt ist? Puh. Bei der Untersuchung sitzt mein Kind fröhlich in der Windel auf dem Tisch, klatscht und führt einen sehr ernsthaften Deidei-Dialog mit der Sprechstundenhilfe, doch das Damokles-Schwert fällt ohne Erbarmen. Sie sitzt zwar alleine, kann sich aber nicht alleine hinsetze. Ergo darf sie nicht sitzen. Genauere Untersuchung, hin und her Gerolle des nun kichernden Babys. Die alles entscheidende Frage, die ich verneinen muss. Ich neige mein Haupt, während Frau Doktor mir einen Vortrag über fehlende Muskeln und den Muskelaufbau hält, mir rät, wie ich das Kind zu legen und zu bewegen habe, und dass wir das dringend im September noch einmal überprüfen müssen. Wir sind tatsächlich durchgefallen.
Aber darf ich Ihnen etwas verraten: Meiner Meinung nach halten wir uns alle viel zu viel mit den beiden äußersten Ecken der Normalverteilung auf. Falls Sie das auch tun, dann fragen Sie doch mal einfach auf dem Spielplatz ein wenig herum und Sie werden feststellen, dass fast alle Mütter beschämt reagieren und behaupten: „Nee, das kann er nicht. Schlimm, wirklich, alle können das, nur er nicht.“
Also ich bin stolz auf meinen Moppel, der auf dem Rücken liegt und „Ara“ oder „Amam“ kräht, damit ihm entweder seine Schwester oder ich etwas zu spielen bringen. Kognitiv ganz weit, das werfe ich jetzt regelmäßig in die Wettbewerbsrunde. Aber vor September graut es mir trotzdem.

Inzwischen ist es Oktober. Wir hatten Glück bei der Nachuntersuchung, ich glaube, der genaue Wortlaut war "wird schon".
Ich denke zwar nicht, denn weder robbt das Kind, noch macht es anstalt, sich ins Krabbeln zu bemühen oder auch nur sonst irgendwie fortzubewegen, aber der Termin war zusammen mit der U8 der großen Schwester und die hat dieses Krankenzimmer so dermaßen gerockt und begeistert, dass sich keiner mehr den armen entwicklungsverzögerten Moppel anschauen wollte.
Na gut, ich bestehe weiterhin darauf, kognitiv ganz weit vorne und werd mal sehen, ob die Osteopathin meines Vertrauens einen Termin für uns hat. Langsam finde ich es nämlich seltsam, dass sie immer auf dem Bauch liegt, den Kopf senkt und weint, als hätte sie Schmerzen....
Ich darf ja auch mal ein bisschen unsicher sein, ne?  Ist ja erst mein zweites Kind und ich bin weiterhin sehr stolz auf sie. Dann sind wir eben Teil eines äußersten Endes der Normalverteilung. Drauf gepupst! Wird schon

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