Früher und Heute - Folge 5: Rockkonzerte

Man glaubt es heute nicht mehr unbedingt auf den ersten Blick, aber ich bin eigentlich ein vom Punk geküßter Dauerrocker und auch dem Metal nicht abgeneigt...
Nachdem ich es gestern geschafft habe, mal wieder ein Konzert zu besuchen, fielen mir natürlich auch hier die unüberbrückbaren Differenzen zwischen früher und heute auf...

Früher:
Es ist 1996, sei es nun Zelt-Musik-Festival, kiffen im Waldsee oder ein Abend mit Fischmob, Such a Surge, Queerfish oder den H-Blockx im Jazzhaus, wir sind am Start.
Damals noch wirr und grade über den Grunge hinweg, obwohl wir angefranzt aussehen, standen wir zwei Stunden im Bad. Treffpunkt 18:30 Straßenkreuzung im Dorf, der Bus fährt um 19:14, aber wir müssen ja noch Vorglühen und über die Felder eiern bis zur Haltestelle. Endstation Bahnhof, das Ticket in der Hosentasche, jemand hat Hunger, aber das Geld ist schon fast alle und reicht noch für einen McRibb durch 4. Endlich in der Schlange, sehen wir nüchtern genug aus, damit sie uns noch reinlassen? Schnell noch Pipi und ab in den Keller, nach drei Minuten tropft das Kondenswasser von der Decke. Stagediving, manchmal auch ein Weilchen auf der Bühne hocken bleiben, weil es sogar zum Diven zu eng geworden ist. Konzertende um halb 11, auf die Treppe nach oben fläzen, mit völlig Fremden über die eigene sexuelle Orientierung fachsimpeln, die letzten Zigaretten teilen. Schaffen wir den letzten Bus? Sonst heißt es Nachtbus, der kostet extra und fährt gar nicht in unser Dorf, das bedeutet wir müssen noch eine Stunde durch Wald und Heide ziehen. Geiler Zufall, die kenne ich noch vom letzten ZMF, hey, wie geht's? Wir sind nurnoch zu zweit, können wir bei dir pennen? Nee, Eltern sind da, das gibt Stess, aber kommt mal noch mit ins Cräsh (unsere alte Lieblings-Punk-Disco), Levin war da, der hat Sturmfrei. Levin ist natürlich nicht mehr da, wir beißen in den sauren Apfel, nehmen den letzten Bus um 1 nach Hause und regen uns am nächsten Morgen tierisch auf, weil wir um halb 12 aufstehen und mit zu Oma fahren müssen.























Heute:
Fotoakkreditierung verpasst, naja, dann eben normaler Pass. Die Lieblingskollegin ist so nett und regelt alles, ich treibe die Kinder mit dem Bobbycar ums Dorf und in die Eisdiele, damit der Gatte nach dem Nachtdienst pennen kann, denn er hat ja wenig später die Freude, einen Abend mit den Mädels zu verbringen. 16:30 sind wir wieder daheim, schnell ein Toast in die Backen und einen Schwarztee gemacht, damit ich nicht bei der Vorband einschlafe. Anziehen und schminken in 15 Minuten, Geld, Ausweis, Autoschlüssel, alle liebarmen und Kuss, dann gehts los. Foo Fighters auf die Ohren und die Lieblingskollegin abgeholt. Wir verfahren uns natürlich, sind aber früh genug dran. Beim Einlass erstmal Diskussion, eine Ordnerin will uns reinlassen, der Obermacker mit dem WalkiTalki will, dass wir uns ein Ticket kaufen. Diskussion, Erklärung, er muss Rücksprache mit der Zentrale halten. So durcheinander wie das Pressebüro hier schon die letzten Tage war, wundert uns eigentlich gar nichts mehr.
Endlich drin, ein Radler und ein Selfie. Die erste Vorband ist grottig, das Publikum bunt durchmischt und wenigstens hat der Ordner im Frontstage-Bereich unsere Presseausweise als solche erkannt. Eigentlich hab ich Hunger, nach der zweiten Vorband tun mir die Füße weh und ich muss gähnen, obwohl die Dead Daisies tatsächlich extremst rocken - man stelle sich vor, die überlebenden Mitglieder einiger Siebzigerjahre-Rockbands gehen nicht ins Altersheim, sondern gründen eine Band mit John Corabi von Mötley Crüe als Sänger.
Dann stehen Alive Cooper, Johnny Depp und Joe Perry auf der Bühne. Matt Sorum von Guns'n'Roses sitzt am Schlagzeug und ich bin völlig gefläscht. Hammerkonzert. Mit den beiden besoffenen Metalern neben mir hätte ich 1996 vielleicht noch geflirtet, da hat mich Lallen und Biergeruch noch nicht so gestört. Meine eigene Nüchternheit führt 2016 weder zu neuen Freunden, noch zu interessanten Gesprächen mit Fremden, wobei ich inzwischen auch der Meinung bin, dass meine sexuelle Orientierung niemanden etwas angeht. Nach dem Konzert dackeln wir friedlich mit dem Strom, immer etwas an der Seite, weil Meike zwar festivalerprobt hoch zehn ist, sich aber ungern in großen Menschenmengen durch die Gegend schieben lässt. Wir teilen uns ein Apfelschorle, essen Worschd, dann geht's zum Auto und alles geht erstaunlich glatt. Autobahn, heim, Kinder wachen natürlich auf, denn es gibt ein Gewitter. Nach vier Stunden schlaf heult Mini und will aufstehen.
Ich bin zu alt für den Scheiß.
Aber ich würde es jederzeit wieder machen.






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