Der allmorgendliche Wahnsinn

Zum Glück sind inzwischen Weihnachtsferien, doch das Thema beschäftigt mich nach wie vor: Das alltägliche Chaos des Schulweges.



Die Große ist ja im Herbst in die Schule gekommen. Eine Handvoll Konfetti, danke schön, wir sind auch sehr erbaut. Weniger erbaulich ist in Gießen leider oft der Schulweg. Da ich das weiß, laufe ich die morgendlichen 20 Minuten derzeit noch tapfer mit, denn ich habe nicht die leiseste Ahnung, ab wann ich meinen winzigen Keks mit seiner riesigen Schultasche tatsächlich allein auf diese Odyssee schicken kann. Denn neben den rüpeligen Jugendlichen, die gefühlte 100 Busse wie eine Wagenladung Rammbocke zwischen 7:30 Uhr und 7:45 Uhr auf die Straße speien, gibt es unübersichtliche Ausfahrten, Fahrbahnüberquerungen, plötzlich endende Gehwege und das große wöchentliche Slalom um die vielen Mülleimer, die eigentlich immer den gesamten Gehsteig blockieren. Das Ende vom Lied für viele Eltern: Die kleinen Prinzessinnen und Superhelden werden mit dem Elterntaxi in die Schule gekarrt. Trocken, warm, bequem. Für die schmale Straße direkt vor der Schule bedeutet das aber an jedem einzelnen Morgen völlige Anarchie. Wer ankommt parkt, ob rechts ob links oder im Halteverbot. Keiner kommt mehr vorwärts oder rückwärts, der Bus hupt genervt und inmitten von elterlichen Kombis springen unübersichtliche Mengen kleiner Menschen in bunter Regenkleidung herum, die auf dem Gehweg keinen Platz mehr zum Laufen gefunden haben. Schwungvoll wird auf den Gehsteig aufgefahren, die SUV-Tür ohne Rücksicht auf Verluste aufgestoßen und das eigene Jungvolk bis auf den Schulhof begleiten. Unmöglich, verantwortungslos und gefährlich. Dabei wäre die Straße nur wenige Meter weiter geradeaus frei. Auch Seitenstraßen bieten die Möglichkeit, kurz anzuhalten, die Kinder rauszulassen und ohne eine völlige Blockade des Schultores zu verabschieden. Die Grundschule der Großen verfügt sogar über zwei Bushaltestellen, die auf Verkehrsinseln mit winziger Grünfläche angelegt sind. Eine unten beim Bäcker, eine oben an einer Kreuzung. Perfekt zu umfahren. Kinder rauslassen – natürlich nicht auf dem Busplatz – rundherumfahren, winken und gut. Der Schulweg wäre damit für alle Beteiligten ab dem Mama-Taxi etwa 50 Meter lang, geradeaus und praktisch gefahrlos zu gehen, auch für einen Erstklässler. Warum keiner auf diese Idee kommt? Das fragen wir uns auch.
FRIZZ hat einmal herumgefragt und festgestellt, dass es sehr wohl Modelle in Mittelhessen gibt, die genau diesem Chaos beikommen wollen. Allerdings ist es ein Kampf, der nur gemeinsam mit der Polizei, den Schulen und den Kommunen gelöst werden kann. Oliver Kessler, Pressesprecher des Kreisausschusses Gießen: „Es gibt Grundschulen, die versuchen, dies einzudämmen und überfürsorgliche Eltern vom Schulgelände bzw. aus den Klassenräumen fernzuhalten (z.B. durch Schilder mit Aufschriften wie „Danke Mama und Papa, ab hier schaffe ich es alleine“). Die ist jedoch Angelegenheit der einzelnen Schulen, die selbst entscheiden, wie sie damit umgehen.“ Auch Sozialdezernent Helmut Betschel sieht die Probleme, vor denen die hessischen Grundschulen stehen: „Gerade beim Ein- und Aussteigen entstehen oft unübersichtliche Situationen, die wirklich gefährlich werden können.“ Weder für die Sicherheit, noch für die Klassenentwicklung ist diese übertrieben Fürsorge förderlich. Schwierig, denn viele Eltern zeigen keine Einsicht und verstehen nicht, dass sie ihren Kindern und auch allen anderen Grundschülern nichts Gutes tun mit ihrem Tür-zu-Tür-Transport. Michael Elsaß, der Kreispressesprecher im Wetteraukreis, sieht ebenfalls die Gefahren, die von Eltern-Taxis ausgehen: „Wir können immer nur wieder darauf aufmerksam machen, dass der zunehmende Verkehr vor den Schulen die Kinder selbst gefährden kann. Letztendlich enden unsere Kompetenzen am Schultor.“ Es sind also eindeutige die Städte und Gemeinden gefragt und gefordert, Halteverbote durchzusetzen oder den Eltern alternative Park- und Haltemöglichkeiten aufzuzeigen. Die VGO als regionale Verkehrsgesellschaft unterstützt die Schulen zusätzlich und bietet Schulungen für junge Fahrgäste an. Doch selbst wenn Grundschulen wie die Degerfeldschule Butzbach und die Johanniterschule in Münzenberg laut Betschel derzeit Vorreiter sind mit ihren Aktionen zur „Mama und Papa freien Zone“ um die Schule, es muss tatsächlich erst bei den Eltern selbst klick machen.

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