Gurken mit Gebrüll





Wir haben den Schnuller abgewöhnt.
Ja, ich kann das ehrfürchtige Raunen förmlich hören, und verbeuge mich mit stolz geschwellter Brust. Der Schnuller, dieses ständig nasse, omnipräsente Plastikding, das dem Kind zwischen seinem ersten und nunmehr dritten Lebensjahr praktisch an die Lippen getackert war, ist verschwunden. Fazit: Der Schlaf wird zwar nicht besser, Sprechen kann das Kind dafür auf einmal, und lange Autofahrten werden zur Tortur. Bei guter Straßenlage dauert die Fahrt zur Oma etwa 3 Stunden 30 Minuten. Wenn es blöd läuft sind wir 5 bis 6 unterwegs und da vermisse ich diese Bakterienmistschleuder, denn Madame schläft kaum noch im Auto. Was war das entspannt, Stöpsel rein und es war für 3 Stunden Ruhe. Ich habe nicht mal zum Pinkeln angehalten. Jetzt sind wir hellwach und es wird recht schnell fordernd. Mama Buch! Mama Vorlesen! Mama trinken! Mama Keks essen! Mama alles so anstrengend, Rücken tut weh! Will sez sofort aufstehen!
Bücher fallen zu Boden, Karottenstücke fliegen von hinten an die Windschutzscheibe, das Kind hat den ersten Arm bereits aus dem Gurt gewickelt – wie macht sie das, es ist wie verhext! - und ich bin nach spätestens zweieinhalb Stunden mit meinem Latein und meinen Nerven am Ende.
Eigentlich darf man es gar nicht so laut sagen - gerade ich als Ernährungswissenschaftlerin, die es eigentlich besser wissen müsste – aber ich bin jedesmal erleichtert, wenn dann plötzlich wie aus dem nichts das gelbe M auftaucht und mich nach einigen Kilometern mit dem kreischenden Kind, das kein Radio mehr übertönt, nach rechts lotst. Dinkelbratlinge und Gurkensticks in allen Ehren, in so einer Situation hilft ein Tütchen Pommes wahre Wunder und ich kann zumindest die Zeit bis zum nächsten Schreianfall – üblicherweise, wenn die Tüte leer und das Salz großflächig in Gesicht und Augen verteilt ist – einfach mal geradeaus fahren.



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