Von Keksen und Kackbratzen
Zugegeben: Das Kind ist ein Gänseblümchen. Sie haut nicht
grundlos, teilt zumeist gerne, wirft nicht absichtlich mit Sand und wenn ihr
nicht gerade fürchterliches Unrecht geschieht und sie sich schreiend am
Boden wälzen muss, ist sie ein
verträglicher Spielkamerad.
Fasziniert beobachtet man als Mutter aber von Zeit zu Zeit
andere Familien und ihre Brut auf dem Spielplatz. Zuletzt stand das Kind neben
einem sozial äußerst unzurechnungsfähigen etwa 5 Jährigen auf dem
Klettergerüst, der seine helle Freude daran hatte, anderen Kindern von oben
Sand anzuwerfen. Als zugehörige Mutter hatte ich zunächst ein etwas
abgewirtschaftetes Exemplar in ausgeleierter Jogginghose im Verdacht, das
rauchenderweise und mit dem Smartphone in der Hand herumsaß. Als der Junge dann
aber anfing, seine stark übergewichtige und ziemlich hilflose ältere Schwester
zu quälen, indem er ihr Bein in einer Schlinge am Klettergerüst hinaufzog und
das arme Moppelchen heulend herumhüpfte, erklang hinter uns eine seifig-samtene
Stimme: „Maaarlon!“ sang sie zärtlich. „Ich finde es ganz und gar
uuunangebracht, dass du eine uuuunglaubliche Freude daran zeigst, andere Kinder
zu quälen! Spiel doch noch ein wenig und gib der Michelle bitte ihren Freiraum,
sie möchte sich nur ungern von dir provozieren lassen!“
In braunes Leinen gehüllt, mit einer locker-modischen Jeans
und einem sanften Lächeln auf den Lippen stand sie da, während ihr Engel Marlon
auf Durchzug geschaltet hatte und weiterhin die heulende Dick-Michelle hüpfen
ließ. Verständlicherweise, denn man sah Marlon auf den ersten Blick an, dass er
von der ganzen liebevollen Ansprache seiner Gebärerin allerhöchstens seinen
Namen verstanden hatte. Was tut man da als außenstehender und nicht ganz
hirnerweichter Normalbürger? Zuerst guckte ich ehrlich gesagt ein wenig zu,
wartete auf die weiteren Reaktionen der anderen Mutter, doch als Marlon dann
versuchte, mein Kind vom Gerüst zu schubsen, packte ich die Kleine, stellte sie
auf den Boden und sah Marlon direkt in die Augen. Es stand mir zwar nicht zu,
aber ich griff nach seinem Jäckchen, als
er bereits mit der Schaufel ausholte, um sie mir überzuziehen. Ich sagte nur
ein Wort, nämlich „Nein!“ laut und deutlich und ohne Ausschmückung und
Erklärung. Den Zusatz „du Arschloch!“ verkniff ich mir und bin bis heute stolz
auf mich.
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